iPhone 4 Antennagate: 20 Bytes Code machten es besser

Das iPhone 4 war eines der schönsten und elegantesten iPhones. Zu dieser Zeit war es aber auch eine erneute Revolution, Apple war hiermit den anderen Herstellern weit voraus. Ein kleiner Fehler, trübte aber die positive Stimmung. Das Problem war dann derart groß, dass sich Steve Jobs gemeinsam mit Tim Cook und Bob Mansfield einer Q&A-Session stellte. Zuvor gab es noch eine Keynote darüber, weshalb es zum Antennagate gekommen ist und wie man das wieder korrigiert. Doch was ist passiert? Wir sehen uns das nun genauer an, denn es gibt zu diesem Fall, 15 Jahre später, neue Einblicke.

Im Sommer 2010 brachte Apple nicht nur das iPad heraus – es präsentierte auch das neue iPhone 4 mit überarbeitetem Design, dem ersten Retina-Display, besserer Kamera und dem damals auffälligen Edelstahlrahmen mit schwarzen Unterbrechungen, das waren die Antennen.

Doch der eigentliche Auftritt dieses Geräts wurde schnell überschattet: Kaum war es auf dem Markt, häuften sich Beschwerden von Nutzern, die über plötzlichen Signalverlust klagten – vor allem, wenn sie das iPhone „normal“ in der Hand hielten.

Was zunächst wie ein Randphänomen aussah, entwickelte sich innerhalb weniger Tage zur großen PR-Krise. Die Ursache: Eine technische und kommunikative Verkettung von Fehlern, die Apple zu spät erkannte.

„You’re holding it wrong.“

Apples erste Reaktion machte alles noch schlimmer. Statt das Problem anzuerkennen, suggerierte man, die Nutzer hielten das Telefon falsch. Der Satz „You’re holding it wrong“, sinngemäß aus einer Antwort von Steve Jobs zitiert, wurde schnell zum geflügelten Wort und zum Symbol für Kundenferne und Arroganz.

Doch intern war die Lage ernster. Während einige vermuteten, die Antennenarchitektur sei fehlerhaft, zeigte sich später: Das Hauptproblem lag in der Software: genauer gesagt in der Art, wie iOS die Signalstärke darstellte.

Apple: Einstellung war nicht richtig kalibriert

Apple räumte schließlich ein, dass die Formel zur Umrechnung von Signalstärke in Balkenanzeigen nicht korrekt kalibriert war. Die Anzeige war schlicht zu optimistisch: Geräte zeigten selbst bei schwachem Empfang vier oder fünf Balken an – obwohl real vielleicht nur zwei vorhanden waren.

Der Effekt: Sobald das iPhone durch Handhaltung oder Umgebungsfaktoren geringfügig an Empfang verlor, sackte die Anzeige dramatisch ab. Nutzer hatten den Eindruck, das Gerät verliere plötzlich den Kontakt – obwohl in Wirklichkeit nur die Darstellung korrigiert wurde.

Problem: Apple war beim Fehler nicht transparent genug. Hierzu kommen wir am Ende des Artikels.

Der Patch, der alles veränderte: nur 20 Bytes!

Mit dem Update auf iOS 4.0.1 wurde das Verhalten der Signalbalken überarbeitet. Die Werte, bei denen das System von „drei“ auf „zwei“ oder „eins“ Balken wechselte, wurden angepasst. Das Ziel: eine realistischere Anzeige, weniger abrupte Sprünge – und damit ein ruhigeres Nutzererlebnis.

Der Clou: Die gesamte Korrektur war nur 20 Byte groß. 20 Bytes, die alles vor dem Release auch hätten besser machen können. So viel Ärger und schlechte Presse hätten vermieden werden können. Offenbar ist das aber bei allen Tests nicht aufgefallen. Vielleicht auch, weil einer der iPhone-4-Tester, sein iPhone in einer Bar vergessen hat. Daraufhin folgte der größte Produkt-Leak aller Zeiten! Die weltweite Presse hat das iPhone 4 gezeigt, noch bevor es Apple auf seiner Keynote tat.

Sam Henri Gold findet den genauen Auslöser

Mehr als ein Jahrzehnt später analysierte der Entwickler und Designer Sam Henri Gold die Firmware-Versionen von iOS vor und nach dem Patch. Beim Vergleich der Binärdateien stieß er auf eine Komponente namens CommCenter, die Teil des CoreTelephony-Frameworks ist.

Darin entdeckte er die Nachschlagetabelle für die Signalbalkenanzeige – jene Codezeile, die definiert, bei welchem Empfang wie viele Balken angezeigt werden. In der ursprünglichen Version lagen die Schwellenwerte so niedrig, dass die Anzeige oft fälschlich ein starkes Signal signalisierte. Nach dem Update wurden diese Schwellenwerte angepasst und „geglättet“.

Gold veröffentlichte später auch ein Diagramm, das die ursprünglichen und die neuen Werte gegenüberstellt. Es zeigt: Die Sprünge in der Anzeige wurden abgemildert, sodass Nutzer weniger drastische Veränderungen sahen – obwohl die tatsächliche Verbindung gleichblieb.

Ein zusätzlich interessanter psychologischer Kniff: Apple vergrößerte bei diesem Update auch die Höhe der unteren Signalbalken, sodass ein oder zwei Balken nicht mehr ganz so schwach aussahen.

Rückblick: Ein technisches Detail mit riesiger Wirkung

Antennagate war kein Hardware-Skandal, es war ein Paradebeispiel dafür, wie eine winzige Designentscheidung in der Benutzeroberfläche das Vertrauen in ein ganzes Produkt erschüttern kann.

Apple musste:

  • Bumper-Cases kostenlos verteilen, um Empfangsprobleme bei Kontakt mit der Hand zu minimieren
  • sich mit einer Sammelklage auseinandersetzen
  • und das iPhone 4S mit überarbeiteter Antennenlösung nachliefern

Dabei wäre es vermutlich nie so weit gekommen, hätte Apple transparenter kommuniziert und die Signalbalkenanzeige von Anfang an realistischer umgesetzt.

Fazit: Große Wirkung durch wenige Zeilen Code

Die Geschichte von Antennagate zeigt, wie sensibel Nutzer auf scheinbar banale Anzeigeprobleme reagieren – vor allem, wenn sie mit Verbindungsabbrüchen und Intransparenz einhergehen.

20 Byte Code reichten aus, um die Wahrnehmung eines ganzen Produkts zu verändern. Der eigentliche Fehler lag nie im Stahlrahmen – sondern in einer optimistisch programmierten Balkenanzeige. Eine kleine Erinnerung daran, dass gute Software nicht nur funktioniert, sondern auch ehrlich kommunizieren muss.

Beim iPhone 4s wurde folglich die Architektur der Antenne korrigiert. Apple hat daraus gelernt, denn bei keinem weiteren Release kam es jemals wieder zu einem solchen Problem. Hierzu kann man sich die Designs ansehen, denn es fällt auf, dass die „Streifen“ für die Antennen nun über die komplette Breite des Geräts gehen. Am besten sieht man das beim iPhone 6 oder bei einem iPad Mini 7 in der LTE-Variante.

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